Der lang angekündigte Einsatz von emissionsfreien Zügen läuft im Taunus alles andere als reibungslos. Die Wasserstoff-Technologie hat nach Experteneinschätzung dennoch viel Potenzial für den öffentlichen Nahverkehr.
Verärgerte Fahrgäste, Krisengespräche, Ersatzverkehr: Der Start der großen Wasserstoff-Zugflotte im Taunus ist nicht ohne Probleme angelaufen. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) spricht auf Anfrage von einem schmerzlichen Rückschlag für ein Projekt mit enormer Bedeutung. Seit Jahren liefen die Vorbereitungen, am Ende sollen die Züge insgesamt auf vier Strecken im RMV-Gebiet rollen. Ab Ende Februar soll nun zunächst der Zugbetrieb auf der Startlinie RB15 (Brandoberndorf-Bad Homburg) planmäßig laufen.
Ursprünglich waren 27 Wasserstoffzüge bestellt – der RMV hatte den Einsatz der weltgrößten Flotte angekündigt. Bisher seien neun Züge an den RMV übergeben worden, erklärte Hersteller Alstom auf Anfrage. Bis Ende Februar sollen es 14 sein, Anfang Juni sollen es dann alle 27 sein. Wegen Lieferschwierigkeiten aufgrund der Pandemie und des Angriffs auf die Ukraine hätten die Züge für den RMV später als geplant für Tests zur Verfügung gestanden. „Mehr Testzeit im RMV-Netz hätte sich zweifelsohne positiv auf den Betriebsstart ausgewirkt“, heißt es bei dem Hersteller.
Schon vor dem geplanten Start im Dezember war klar, dass nur ein Teil der bestellten Züge geliefert werden kann. Ersatzweise sollten Dieselzüge fahren, doch auch mit ihnen gab es Probleme. Von einem „vorhersehbaren Chaos“ der 500 Millionen Euro teuren Flotte spricht der Fahrgastverband Pro Bahn. Zum Betriebsstart seien nur zwei der neuen Züge einsatzfähig gewesen.
Nach einem Krisengespräch mit dem Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs (CDU), der auch RMV-Aufsichtsratschef ist, setzte der Verbund ein Konzept mit Ersatzbussen um. Wegen Grünschnittarbeiten auf der Strecke sind die Busse derzeit ausschließlich unterwegs. Ab 27. Februar soll der Zugverkehr dann wieder wie geplant rollen – „vorzugsweise mit Wasserstoffzügen“, wie der RMV mitteilte.
Brennstoffzellentechnik mit Wasserstoffantrieb hat nach Einschätzung eines Experten durchaus Potenzial, den öffentlichen Personennahverkehr umweltfreundlicher zu machen. Allerdings seien Technik und Logistik noch nicht ganz ausgereift, sagte der Leiter des Labors für Brennstoffzellentechnik an der Frankfurt University of Applied Sciences, Enno Wagner.
Busse oder Züge mit Wasserstoff zu betreiben sei grundsätzlich ein sinnvoller Ansatz, so Wagner. Besonders, wenn die Alternative ein Dieselmotor sei. Die Brennstoffzellentechnologie sei allerdings hoch komplex und neu in der alltäglichen Anwendung. „Daher sollte man nicht erwarten, dass alles sofort reibungslos funktioniert.“ Sich vorzunehmen, gleich eine komplette Flotte auszutauschen, sei „vielleicht ein bisschen“ voreilig gewesen. „Das technisch Machbare und das politisch Gewollte klaffen da etwas auseinander.“ Der Experte plädierte für eine längere Erprobungsphase.
Die Stadt Wiesbaden hatte im Dezember mitgeteilt, dass sie sich vom Wasserstoff als Antrieb für Busse verabschiedet. Als Grund gaben die Verkehrsbetriebe Eswe mangelnden Platz auf dem Betriebshof an. Die für Wasserstoffbusse eingerichtete Tankstelle hatte zwei Millionen Euro gekostet, aufgeteilt zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen – denn auch aus Mainz sollten Busse zum Tanken vorbei kommen. Die Landeshauptstadt setzt nun zunächst auf neue Dieselbusse. Zudem hat sie 120 batterie-elektrische Fahrzeuge im Einsatz.
„Wir sehen keinen Anlass, den Einsatz von Wasserstoffbussen generell in Frage zu stellen“, erklärt dagegen die Frankfurter Verkehrsgesellschaft Traffiq. Mit ihrer höheren Reichweite im Vergleich zu batterie-elektrischen Bussen seien sie für lange Linien die bessere Lösung. Aktuell seien 13 Brennstoffzellen-Busse im Einsatz. Sie werden derzeit noch in Höchst betankt, ab Sommer dann an einer eigenen Wasserstofftankstelle auf einem Betriebshof. Weitere zehn Brennstoffzellen-Busse sind für kommendes Jahr angekündigt. Bis Anfang der 2030er Jahre sollen es insgesamt 120 sein – rund ein Viertel der dann voll elektrifizierten städtischen Busflotte.